1. Juni 2013. Aus Anlass der CD-Veröffentlichung „Grimms Märchen“ sprach Kaleidos mit dem duo pianoworte über die Hintergründe, Konzeption und Umsetzung des CD-Projekts und wie man heute noch Kinder für anspruchsvolle Musik begeistern kann.
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Kaleidos: Der äußere Anlass für diese CD liegt ja auf der Hand…
Duo Pianoworte: Allerdings, wir feiern das „Grimm“-Jubiläumsjahr. Vor etwas mehr als 200 Jahren wurde der erste Band der Kinder- und Hausmärchen von den Brüdern Grimm veröffentlicht. Das hat uns den Impuls zu diesem Projekt „Grimms Märchen“ gegeben.
Kaleidos: Ein Projekt, das – so wie es aussieht – aus drei Teilen besteht…
Duo Pianoworte: Das stimmt, es gibt sozusagen eine eher „klassisch“ orientierte Abteilung, eine klangexperimentelle Abteilung und dann eine Art klanglichen Abenteuerspielplatz für Kinder – aktives Mitgestalten bei einer Märchenvertonung.
Kaleidos: Das, wenn man so will, klassische Konzertstück zum Zurücklehnen ist „Frau Holle“…
Duo Pianoworte: Ja, eine geradezu märchenhafte Vertonung durch Andreas Nikolai Tarkmann, einem Komponisten, mit dem wir seit über 12 Jahren zusammenarbeiten.
Kaleidos: Wie würdet Ihr diese Zusammenarbeit beschreiben?
Duo Pianoworte: Auf jeden Fall sehr fruchtbar. Tarkmann hat jahrelang als Theatermusiker im Schauspiel gearbeitet und dadurch einfach ein „Feeling“ für dramatische Situationen, für das „Szenische“ in der Musik. Das merkt man z.B. an seiner Vertonung von „Hans Huckebein“ und auch an der von „Till Eulenspiegel“, die er für uns geschrieben hat, obwohl es natürlich bereits die berühmten Orchesterstücke von Richard Strauss gibt. Er versteht es einfach, immer wieder das naiv-kindliche in den Geschichten oder Märchen musikalisch wirkungsvoll umzusetzen.
Kaleidos: Diese Zusammenarbeit mit Theatermusikern fällt auf. Gerhard Gemke kommt ja auch vom Theater.
Duo Pianoworte: Richtig. Er ist Klavierpädagoge und hat eine halbe Stelle am Stadttheater Paderborn als Leiter der Schauspielmusik. Durch die jahrelangen Gastspiele von Helmut an diesem Theater kam der Kontakt zustande und schließlich ergab sich dann die Idee, ein Märchen der Brüder Grimm für uns zu bearbeiten.
Kaleidos: Da geht dann an manchen Stellen so richtig die Post ab.
Duo Pianoworte: Ja, da haben sich zwei getroffen. Ein Lieblingsthema von Bernd-Christian ist der Flügelinnenraum mit dieser ungeheuer breiten Palette von Klangmöglichkeiten und Gerhard Gemke hat das auch fasziniert. Ob das jetzt ganz zart-poetisch im Diskant gezupft klingt oder etwas gruselig, wenn man mit einem Paukenschlägel vorsichtig über die Basssaiten reibt. Noch verrückter wird es, wenn man z.B. Gummikeile zwischen die Saiten steckt oder mit Gläsern an den Saiten entlangfährt.
Kaleidos: Aber dahinter steckt doch mehr, oder?
Duo Pianoworte: Natürlich. Mit diesen Effekten kann man eine Geschichte noch wirkungsvoller erzählen, diese Klangexperimente stehen ja nicht in der Partitur um ihrer selbst willen, sondern sie vermitteln eine klangliche Zuspitzung der einzelnen Situationen, ermöglichen eine noch dichtere Erzählweise. Dazu kommt, dass wir immer wieder die Erfahrung gemacht haben, dass gerade heute Kinder immer häufiger Schwierigkeiten haben, über längere Zeit konzentriert Musik zu verfolgen. Da sind diese Effekte nicht nur dramaturgisch notwendig – wenn man so will – sondern auch ein probates Mittel, um die Aufmerksamkeit der Kinder immer wieder neu zu gewinnen.
Kaleidos: Und dann seid ihr mit den drei Vertonungen von Violeta Dinescu noch einen Schritt weiter gegangen.
Duo Pianoworte: Das kann man so sagen. Violeta Dinescu ist eine sehr erfahrene und offene Komponistin. Sie weiß genau, dass die Sache am nachhaltigsten wirkt, wenn Kinder selber Klänge produzieren – ob jetzt mit der Stimme oder mit ungewöhnlichen Instrumenten. Und – professionelle Schlagzeuger mögen uns dies bitte nachsehen – auf einem Tambourin oder auf einem Tamtam lassen sich für ein Kind einige Grundspielarten zunächst einmal schneller erkunden, als z.B. auf einer Geige. Ein Teil der Kinder wirkt da richtig mit dem duo pianoworte zusammen mit, wie in einem Ensemble.
Kaleidos: Moment, ein paar Kinder spielen bei euch doch auch Klavier.
Duo Pianoworte: „Spielen“ ist da ein dehnbarer Begriff, aber es stimmt: Gleich am Anfang ihrer Vertonung der „Sterntaler“ hat Violeta Dinescu vorgesehen, dass im Bassbereich des Flügels Paukenschlägel eingesetzt werden. Diese Aufgabe haben drei unserer Kinder übernommen. So gesehen spielen sie Klavier…
Kaleidos: Aber das ist ja nur ein winziger Ausschnitt aus diesem Mitmachbereich.
Duo Pianoworte: Klar, da warten noch ganz andere Aufgaben auf die Kinder: Sprechraps, Sprech-Kanons, Stimmungsbilder mit den Stimmen darstellen wie z.B. einen Wald, Märchen-Titel improvisieren und noch vieles mehr.
Kaleidos: Ein großer Freiraum für Fantasie?
Duo Pianoworte: Ja und nein, wir hätten natürlich gerne viel mehr Probenzeit gehabt, um mit den Kindern zusammen alles bis ins Detail zu entwickeln. Wir mussten – unter dem Zeitdruck, unter dem wir standen – an manchen Stellen auch einiges vorgeben und festlegen.
Kaleidos: Zeitdruck?
Duo Pianoworte: Ja, wir hatten letzten Endes nur fünf Nachmittagsproben á 90 Minuten mit den Kindern, um die Stücke für die Aufnahme zu erarbeiten. Und das alles war nur möglich, weil die beiden Leiterinnen der Chor-AG der Comeniusschule Hannover sich voll ins Zeug gelegt haben und diejenigen Kinder, die sich zusätzlich zu den chorischen Aufgaben mit den einzelnen Schlaginstrumenten im wahrsten Sinne des Wortes herumschlagen, noch zusätzlich etwas von ihrer Freizeit geopfert haben, um mit uns zu arbeiten.
Kaleidos: Mit welchem Ziel seid ihr an diese Arbeit heran gegangen?
Duo Pianoworte: Natürlich wollten wir bei den drei Märchen von Violeta Dinescu eine möglichst gut gelungene Einspielung erarbeiten, wobei uns klar ist, dass da keine Profis am Werk sind, sondern engagierte, begeisterte Kinder. Und das ist das Entscheidende: Wir haben erlebt, mit welchem Enthusiasmus, mit welchem Ehrgeiz alle Kinder mitgemacht haben. Und das stimmt uns zuversichtlich, dass diese Kinder ein nachhaltiges Musikerlebnis mitgenommen haben, an das sie noch lange denken werden. Sie haben erfahren, was es z. B. heißt, sich voll und ganz auf einen Punkt zu konzentrieren, sie haben erlebt, wie man eine musikalische Linie aufbaut und sie haben am eigenen Leib gespürt, was es heißt, Spannung und Entspannung in der Musik zu erfahren. Und wir hoffen, dass sich all das – und vor allem ihre Begeisterung – auch auf dieser CD vermittelt und dass etwas davon rüberkommt, wenn sich Kinder nicht nur passiv mit Musik auseinandersetzen, sondern mit Freude aktiv an einem musikalischen Prozess teilzunehmen.
Kaleidos: Musik „ganzheitlich“ erleben…
Duo Pianoworte: Ja, das ist ein schönes Schlagwort, aber wir haben versucht uns da zumindest anzunähern.